Alpakas auf einer Weide

Von GOTS bis RWS – Was Wollstandards wirklich bedeuten

Warum Zertifikate & Standards in der Wollwelt so wichtig sind

Die enorme Nachfrage nach Fasern unterschiedlichsten Ursprungs hat in den letzten Jahrzehnten zu einer stetig steigenden Produktion geführt. In unserer globalisierten Welt geht dies leider oft Hand in Hand mit einer Verschlechterung von Arbeitsbedingungen und Tierwohl.

Riesige Herden sind anfälliger für Krankheiten, und die Ausbeute pro Tier wird kontinuierlich erhöht, um die Nachfrage zu decken. Der Wollgewinnungsprozess ist vielerorts auf Maximierung ausgerichtet – nicht darauf, dass Tiere entspannt und artgerecht leben können.

Gerade deshalb ist es heute wichtiger denn je, dass klare Standards eingehalten werden. Zertifikate wurden eingeführt, um genau das sichtbar zu machen: Sie bestätigen, dass definierte ökologische, soziale oder ethische Kriterien im gesamten Produktionsprozess berücksichtigt werden.

Wofür stehen Zertifikate & Standards?

  • Tierwohl: Standards wie RWS (Responsible Wool Standard) oder RMS (Responsible Mohair Standard) stellen sicher, dass Tiere artgerecht gehalten werden. Praktiken wie Mulesing sind strikt verboten.

  • Nachhaltigkeit: Zertifikate wie GOTS oder GRS (Global Recycled Standard) garantieren, dass Fasern ökologisch verarbeitet werden und Ressourcen geschont bleiben.

  • Soziale Verantwortung: Fairtrade und GOTS setzen auf faire Arbeitsbedingungen entlang der Lieferkette.

  • Gesundheit & Sicherheit: OEKO-TEX® prüft Garne auf Schadstoffe und sorgt dafür, dass sie unbedenklich und hautfreundlich sind.

  • Transparenz: Zertifizierungen erlauben die Rückverfolgbarkeit – vom Tier bis zum Knäuel. So weißt du, was du in den Händen hältst.

GOTS (Global Organic Textile Standard)

Der Global Organic Textile Standard (GOTS) ist ein weltweit führender Standard für die Verarbeitung von Textilien aus biologisch erzeugten Naturfasern. Er legt strenge ökologische und soziale Kriterien entlang der gesamten textilen Produktionskette fest – vom Anbau der Rohstoffe über die umweltfreundliche und sozialverantwortliche Herstellung bis hin zur Kennzeichnung. GOTS berücksichtigt dabei unter anderem den Verzicht auf schädliche Chemikalien, sichere und faire Arbeitsbedingungen sowie eine umweltschonende Abwasserbehandlung. Nur Produkte, die mindestens 70 % (Label „made with organic“) bzw. 95 % (Label „organic“) zertifizierte Biofasern enthalten, dürfen das GOTS-Siegel tragen. Unabhängige, akkreditierte Zertifizierungsstellen führen regelmäßige Kontrollen durch. GOTS bietet Verbraucherinnen eine verlässliche Orientierung beim Einkauf nachhaltiger Textilien und unterstützt gleichzeitig Produzentinnen, die hohen Umwelt- und Sozialstandards gerecht werden möchten. Der Standard wird regelmäßig aktualisiert und global anerkannt.

Mit Klick auf das Logo kommst du auf die GOTS Homepage, und kannst noch genauer nachlesen.

RWS ( Responsible Wool Standard)

Der Responsible Wool Standard (RWS) ist ein globaler, freiwilliger Standard, der das Wohlergehen von Schafen und den verantwortungsvollen Umgang mit Weideland in der Wollproduktion sicherstellen soll. Entwickelt von der Textile Exchange, garantiert RWS, dass die Wolle von Farmen stammt, die hohe Tierschutzstandards einhalten – insbesondere in Bezug auf artgerechte Haltung, Fütterung, medizinische Versorgung und den Verzicht auf das umstrittene Mulesing. Gleichzeitig fördert der Standard eine nachhaltige Landnutzung, um Bodenerosion und Überweidung zu vermeiden. RWS-zertifizierte Farmen, Händler und Produzenten müssen strenge Anforderungen erfüllen und sich regelmäßigen unabhängigen Kontrollen unterziehen. Die gesamte Lieferkette – vom Tier bis zum Endprodukt – ist rückverfolgbar und transparent. Produkte mit dem RWS-Siegel geben Verbraucher*innen die Sicherheit, dass sie verantwortungsvoll gewonnene Wolle kaufen. Der Standard unterstützt sowohl den Tierschutz als auch den Umweltschutz.

Mit Klick auf das Logo kommst du auf die Homepage von Textile Exchange, und kannst noch genauer nachlesen – auch bei Mohair und Alpaka. (Seiten sind auf Englisch)

RMS (Responsible Mohair Standard)

Genau wie der RWS ist der Responsible Mohair Standard (RMS) ein freiwilliger, globaler Standard, der das Wohlergehen von Angoraziegen sowie den nachhaltigen Umgang mit Weideland in der Mohairproduktion sicherstellt. Die Richtlinien dieses Standards wurden ebenfalls von der Textile Exchange entwickelt. Bei der Textile Exchange handelt es sich um international agierende gemeinnützige Organisation. Diese hat sich zum Ziel gemacht, positive ökologische und soziale Veränderungen in der gesamten Lieferkette von Textilien zu erreichen. Dabei arbeitet sie mit allen Beteiligten in der internationalen Textilindustrie zusammen (Produzenten, Landwirt:innen, Marken, usw.)

Wie beim RMS wird ebenso Wert auf das Tierwohl (Haltung, Futter, medizinische Versorgung) aber auch auf die ressourcenschonende Nutzung von Weideland gelegt. Die von der Textile Exchange erarbeiteten Standards gewährleisten Transparenz und Rückverfolgbarkeit.

RAS ( Responsible Alpaca Standard)

Der Responsible Alpaca Standard (RAS) baut auf den Prinzipien von RMS und RWS auf, richtet sich jedoch speziell an die Haltung von Alpakas, die vor allem in Südamerika beheimatet sind. Ziel ist es, das Wohlergehen der Tiere, den Schutz des Ökosystems sowie faire Arbeitsbedingungen in der Lieferkette zu gewährleisten. Der Standard berücksichtigt dabei die besonderen Bedürfnisse von Alpakas, z. B. in Bezug auf Haltung in Höhenlagen, Schurpraktiken und Gesundheitsmanagement. Ein zentrales Element des RAS ist der Schutz traditioneller Lebensweisen und das Einbinden indigener Gemeinschaften, die eine wichtige Rolle in der Alpakazucht spielen. Neben Tierwohl und Umweltschutz fordert der RAS auch klare Dokumentation und Rückverfolgbarkeit entlang der gesamten Lieferkette.

Fair Trade Textile Standard

Der Fairtrade Textile Standard ergänzt ökologische und tierwohlbezogene Textilstandards wie GOTS, RWS oder RAS um eine starke sozialethische Komponente. Er fokussiert sich auf die Arbeitsbedingungen in der gesamten textilen Lieferkette – von der Faserproduktion über Spinnereien und Färbereien bis zur Konfektion. Ziel ist es, existenzsichernde Löhne, faire Arbeitszeiten, Arbeitsschutz, Gewerkschaftsfreiheit und Verbot von Zwangs- und Kinderarbeit verbindlich zu machen.

Während Standards wie GOTS oder OEKO-TEX ökologische und gesundheitliche Aspekte regulieren, und RWS/RAS Tierwohl garantieren, setzt der Fairtrade Textile Standard bei der sozialen Verantwortung an. 

Er ist besonders dort wichtig, wo Arbeitsrechtsverletzungen in der Textilproduktion verbreitet sind (Produktionsstätten in Ländern wie China, Vietman, Indien, usw.). In Kombination mit Umwelt- oder Materialstandards bietet er eine ganzheitliche Nachhaltigkeitsstrategie für Unternehmen und eine transparente Entscheidungshilfe für Verbraucher*innen.

OEKO-TEX ® Standard 100

Der OEKO-TEX® Standard 100 unterscheidet sich von Standards wie GOTS, RWS oder RAS, da er sich nicht auf die Herkunft der Fasern oder die Tierhaltung konzentriert, sondern auf die gesundheitliche Unbedenklichkeit von Textilprodukten für den Endverbraucher. Produkte mit dem OEKO-TEX® Siegel wurden auf Schadstoffe wie Pestizide, Schwermetalle, Formaldehyd oder allergieauslösende Farbstoffe geprüft. Während GOTS oder Textile Exchange-Standards ganzheitliche Nachhaltigkeit – inklusive Umwelt, Tierwohl und Sozialstandards – entlang der gesamten Lieferkette abbilden, bezieht sich OEKO-TEX® vorrangig auf das Endprodukt. Er kann daher auch für konventionell hergestellte Textilien vergeben werden, sofern sie die strengen Grenzwerte erfüllen.

Mulesing Free

„Mulesing-free“ ist kein eigener Standard, sondern ein Hinweis oder Zertifizierungsmerkmal, das darauf hinweist, dass die Wolle ohne Mulesing gewonnen wurde. Mulesing ist ein schmerzhafter Eingriff, bei dem Hautfalten im Bereich des Schafhinterteils entfernt werden, um Fliegenbefall zu verhindern – vor allem in Australien weit verbreitet. Die Bezeichnung „mulesing-free“ signalisiert Verbraucher*innen, dass beim Tierwohl auf diese Praxis verzichtet wurde.

Es gibt verschiedene Zertifizierungsstellen und Markeninitiativen, die mulesingfreie Herkunft bescheinigen, aber die Anforderungen und Kontrollen können stark variieren. 

Verlässlicher ist die Kombination mit anerkannten Tierschutzstandards wie RWS, da dort Mulesing grundsätzlich verboten und die gesamte Lieferkette zertifiziert ist.

So bietet „mulesing-free“ eine erste Orientierung – echte Transparenz liefern jedoch nur anerkannte, unabhängige Standards.

Vertrauenswürdiges Vorgehen oder doch nur Greenwashing

Die genauere Betrachtung von Zertifikaten und Standrads im Bereich der Woll- und Textilherstellung wirft auch immer wieder die Frage auf, ob es sich hier um Kriterien handelt die einen wirklichen Mehrwert für Mensch, Tier und Umwelt liefern.  Muss die Vertrauenswürdigkeit hinterfragt werden, weil es sich nur um billiges Greenwashing handelt, oder kann der Kunde mit gutem Gewissen zu diesen Produkten greifen?

Hier noch ein Blick auf diesen wichtigen Aspekt:

Wenn ein Produkt wirklich zertifiziert ist (z. B. nach GOTS, RWS, Fairtrade Textile Standard, OEKO-TEX®, etc.), dann bedeutet das:

  • Es wurde von unabhängigen, akkreditierten Stellen geprüft,

  • es erfüllt klare, dokumentierte Anforderungen, und

  • es wird regelmäßig kontrolliert und auditiert.

Diese Standards sind nicht bloß Marketing-Logos, sondern mit echten Prüfprozessen und oft auch mit Rückverfolgbarkeit entlang der Lieferkette verbunden.

Aber natürlich gibt es Einschränkungen, den kein Standard kann alle Probleme der Textilindustrie lösen, die primär durch die enormen Mengen an produzierter Ware entstehen.

 

 

Dein Vorteil als Stricker:in

Zertifikate sind ein Orientierungssystem in einer oft unübersichtlichen Branche. Sie helfen dir, bewusst zu entscheiden: für die Umwelt, für die Tiere, für die Menschen hinter der Produktion – und letztlich für Strickstücke, die du mit gutem Gewissen tragen und verschenken kannst.

Bewusstsein zu schaffen, und sich mit dem Thema zu beschäftigen ist ein wichtiger Schritt, um längerfristige und nachhaltige Veränderungen zu initiieren. Daher hoffe ich, dass dir dieser Artikel einen guten ersten Überblick verschaffen konnte, und du da und dort mit interessanten Aspekten in Kontakt gekommen bist. 

Sind dir diese Standards bei deinem Wollkauf schon mal unter gekommen? Sag es mir gern in den Kommentaren!

Danke fürs Lesen!

Deine Steffi

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